Biographie

it de en

Chronologie

Die Anfänge

Akademie

Alte Meister

Juryfreie

Die Schwester Emma

Die Freundin Marya

Das Exil

Selbstportraits

Die Juryfreie am Münchener Glaspalast

von Domenico Maria Ardizzone

Muenchenkunst

Einer der Säle des Münchner Glaspalastes, wo die jungen Künstler der “Juryfreien” ausstellten

Im Jahre1929 wird Louis Christian Hess Mitglied der Künstlervereinigung „Juryfreie“, rasch steigert sich seine Leidenschaft und er nimmt an den gemeinsamen Ausstellungen im Glaspalast in der rinzregentenstrasse teil, um die Arbeit der Gruppe – wie Konzerte, Faschingsfeste, Tagungen – zu fördern.
Die Philosophie, welche die „Juryfreie“ in den 20er Jahren bis 1933 geprägt hat, beschreibt der deutsche Kritiker Hans Eckstein (er kannte den Künstler persönlich) im Christian Hess – Katalog (Palermo 1974) in seiner Abhandlung folgendermaßen:
“…So hat eine kleine Künstlerschar, die sich in einem Verband der Juryfreien zusammengefunden hatte, ihre Kameradschaft als einen Kampfbund gegen die Macht der alteingessenen Künstlerschaft verstanden und sich gewiss revolutionärer gefühlt, als sie es tatsächlich war… Die wenigen, in den Ausstlellungen getätigten Ankäufe vermochten die Kosten nicht zu decken“.


München 1929 – Künstler der “Juryfreien” auf einem Faschingsfest. Christian Hess trinkt Bier aus der Flasche

1931 greift die SA vermehrt massiv die politischen Gegner Hitlers an, um seinen Machtaufstieg zu beschleunigen.
Im Visier hatten sie Historiker, Schriftsteller, Künstler jeder Ausrichtung - insbesondere Vertreter der figurativen Kunst. Der Nationalsozialismus war sich der starken Wirkung und Faszination von Bildern auf Menschen bewußt und setzte dieses Wissen bei der Propagandaerstellung gezielt ein. Alles was nicht der Nazi-ideologie entsprach verschwand.
Die Bewegungen der Modernen Kunst wurden sofort als „korrupt“ und „entartet“ bezeichnet, abstrakte Maler
und Expressionisten wurden der Antipro-paganda beschuldigt, die eine Rückkehr Deutschlands an die Macht in Europa verhinderten. Sie „beschmutzten“ die Reinheit und den Geist der deutschen Rasse.
Laut Hitler, der sich selbst als Künstler bezeichnete, waren der unverhältnis-mäßige Gebrauch von Farben und Motiven eine „Verzerrung“ der Natur. All dieses künstlerische und kulturelle Getue der Kubisten, Futuristen und Dadaisten – stellte er fest – ist weder gesund für die Rasse noch politisch vertretbar.“ 

Die Schlägereien der Braunhemden

Die “Juryfreie” wurde als eine der ersten Bewegungen kontrolliert. Vier Mitglieder und zugleich Teilnehmer einer Kundgebung, wurden im März 1933 von der SA ins Visier genommen.

Christian Hess (1895-1944)

Adolf Hartmann (1900-1972)

Wolf Panizza (1904)

 

Hitlers Sturmabteilung SA

Ein Plakat der SA: eine paramilitäre Einheit des Nationalsozialismus, 1921 als Leibwache und Ordnungshüter der Partei Hitlers gegründet. Zwischen 1930 und 1933 immer wieder in blutigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern verwickelt. An die Macht keinen gelangt, zögert Hitler Augenblick und bezeichnet die Führung der SA als unverläßlich, einschließlich das Oberhaupt Ernest Röhm. Sie wurden von der SS in der sog. “Nacht der langen Messer” eliminiert – ein Gemetzel, das vom 30. Juni bis 2. Juli andauerte.
 

Während einer Versammlung des “Kampfbundes für deutsche Kultur” wurden die Maler Chrisitan Hess, Adolf Hartmann, Wolf Panizza und Günther Grassmann (beide blutig geschlagen) aus dem Saal entfernt.
Hess beschreibt das Ereignis in einem Brief an seine Schwester Emma (Messina):
Während einer Konferenz über Moderne Kunst vor ein paar Tagen haben wir eine Protestkundgebung organisiert. Hartmann und ich sind als erste aus dem Saal geflogen, die beiden anderen Kollegen wurden zusammengeschlagen.In weiteren Briefen schreibt Hess….habe oft mit dem Gesetz zu tun, bin als Zeuge vorgeladen”… und die gesamte politische Lage ist turbulent und man kann kein vernünftiges Wort mehr sagen, ohne dass man nicht sofort mit Poltik in Verbindung gebracht wird – ob man will oder nicht.
Wie gerne wäre ich jetzt in Sizilien und hörte nichts von alledem.”

Von nun an werden die Künstler der “Juryfreien” verfolgt und geächtet. Nur drei Monate später brannte der Glaspalast in der Prinzregentenstrasse, die Ursache war Brandstiftung. Neben dem Gebäude selbst wurden mehr als tausend Bilder und Skulpturen zerstört. Es verbrannten unter anderem auch Werke aus dem frühen 19. Jhd. von Künstlern wie Caspar David Friedrich, Karl Blechen und Philipp Otto Runge, vom Österreicher Moritz von Schwind und Piemontesen Felice Casorati. Nur 80 Werke wurden aus den Flammen gerettet. Von den Arbeiten der Künstler der “Juryfreien” blieb nichts als Asche.
Hess erzählt in einem Brief an seine Schwester Emma: Ich habe den Brand gesehen. Es was schrecklich, untätig dabei zusehen zu müssen. Auch drei meiner besten Arbeiten (Triptychon “Am Wasser”) sind verbrannt, ich habe ein halbes Jahr lang umsonst gearbeitet, nichts war versichert, die Rahmen habe ich noch nicht bezahlt…Das mittlere Werk ist im Katalog abgebildet…Jetzt muss ich wieder von vorn beginnen und ich hab keine Farben mehr…
In 14 Tagen wird eine Not-Ausstellung stattfinden und meine Werke müssen fertig sein”.  Zu seinem Schmerz über den Verlust der verbrannten Bilder kommt noch die Angst vor der Zensur der Nazis hinzu, die mittlerweile die freie Meinungsäußerung langsam aber sicher ünterdrückten. 1933 ist die Lage unerträglich, die “Juryfreie” wird auf Befehl aufgelöst. Hess entscheidet sich für das Exil in Sizilien.

Der Glaspalast in Flammen und “Juryrfreie” in der Verbannung

Der Glaspalast
nach dem Großbrand

Hess: "Hier ruhen
meine verbrannten Werke"

Der Brand vom 6. Juni 1931, der den Müncher Glaspalast und tausende Kunstwerke vernichtet hatte, war ein eindeutiges Zeichen der Unterbindung der freien Meinungsäußerung und Unabhängigkeit der jungen Künstler der “Juryfreien”. Trotz der hohen Verluste, welche die Künstler hinnehmen mussten, wurde bald darauf eine ausserordentliche Ausstellung im Deutschen Museum organisiert. In den darauffolgenden zwei Jahren versuchte die “Juryfreie” sich mit Wanderausstellungen und Kulturinitiativen neu zu organisieren. Aber

unmittelbar nach dem Karneval von 1933, im Hinblick auf die drohende Auflösung und Verbannung der Bewegung, konnten die Initiativen nur mehr mit Müh und Not durchgerungen werden. Rechts: Eine Postkarte mit den Überresten des Glaspalastes, die Hess seiner Schwester Emma nach Messina schickte, mit folgendem Nachruf: Hier ruhen meine verbrannten Werke.”

   

Eine Aufsehen erregende Hess-Ausstellung

Ein weiteres Zeitdokument der Bewegung “Juryfreie” wurde vom Maler Günther Grassmann (1900 – 1993) im Februar 1977 herausgegeben. Zum Anlass der abschliessenden Etappe der Wanderausstellung “der Rückkehr Hess’ ” im Münchner Kunstverein sagte Grassmann:

Letzte Karneval


Das Poster, dass Hess für den letzten Karneval der Juryfreien gestaltete. Ein Exemplar ist im Stadt-Museum von München aufbewahrt.

In meinem Leben habe ich Hess in den Jahren zwischen 1928 und 1933 getroffen, als wir Mitglieder der “Juryfreien” waren, die, sofern ich mich erinnere, 1912 gegründet wurde.

1927 war es eine Vereinigung junger, gleichgesinnter Künstler, die sich bewußt von der naturalistischen münchner Tradition distanzierten. Christian Hess war, gemeinsam mit Joseph Scharl, eine der wichtigsten Persönlichkeiten dieser Bewegung. Er orientierte sich am damals viel diskutierten Max Beckmann. Die großzügigen Galerieräume der “Juryfreien” befanden sich gegenüber dem Haus der Kunst. Der insgesamt hohe Aufwand wurde damals größtenteils von den Einnahmen der künstlerischen Karnevalsfeiern finanziert, die von den Mitgliedern ausgestattet wurden – unter ihnen auch Hess. Diese Feste wurden in den Galerieräumlichkeiten abgehalten, wo auch Kollektivausstellungen der “Juryfreien” und  anderer Künstler stattfanden. Ich erinnere mich an eine Christian Hess-Ausstellung, die viel Aufsehen erregte, bestehend aus 30 – 40 Arbeiten. Es hieß, Hess hätte die Bilder in nur wenigen Wochen gemalt, was seiner impulsiven Art zu arbeiten absolut entsprach.
Die “Juryfreie” wurde 1933 von den Nazi aufgelöst (sie beendete praktisch ihre Tätigkeit), sicherlich eine Antwort auf den Versuch der “Juryfreien” eine klare Position gegen die Nazi-Politk und dessen Kultur einzunehmen (und hier Grassmann beziehet sich der Schlägerei mit Panizza zusammen von den SA erlitten). Danach habe ich Hess aus den Augen verloren”.


Unstimmigkeiten innerhalb der Bewegung

Der deutsche Bildhauer Karl Röhring, Leiter der Gruppe “Juryfreie”

Die unruhige Stimmung, die sich in den letzten Monaten innerhalb der Bewegung “Juryfreie” ausbreitete, erfährt man im Brief vom Bildhauer Karl Röhrig (1886 – 1972) an Christian Hess, geschrieben am 13. März 1934 in München. Hess lebt bereits in Sizilien, an der jonischen Riviera Messinas.

Röhrig war einer der leitenden Persönlichkeiten der Gruppe der “Juryfreien” (vielleicht Sekretär oder Schatzmeister). Zu Beginn schreibt er: Lieber Hess! Endlich kann ich ein paar persönliche Zeilen an die Neuigkeiten der “Juryfreien” anhängen. Dein Brief vom 17. Januar 1934 hat uns erreicht und es freut uns zu erfahren, dass es Dir in Deiner derzeitigen Lage gut ergeht.”  Und weiter: “Am 22. d.M. findet die Generalversammlung statt, wo die Bombe platzen wird und ich bitte Dich, Deine Meinung so schnell als möglich der Generalversammlung mitzuteilen.”  Der Brief fährt dann mit der Schilderung der internen politischen und finanziellen Unstimmigkeiten der Gruppe fort. Die Mehrheit fordert eine Aufteilung des Kassenbestandes, ca. drei tausend Mark, angesichts der drohenden Auflösung und Verbannung von Seiten der Machthaber. Tief in seinem Herzen hoffte Röhrig zwar noch auf eine Rettung der Gruppe, doch das Schicksal der jungen “juryfreien” Künstler war schon besiegelt. Das Regime hatte beschlossen, jede Spur von Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit zu vernichten, was schon seit dem Frühjahr 1933 im Gange war.








Das monumentale Haus der Kunst: eines der Lieblingsgebäude Hitlers, 1937 in München auf die Asche des Glaspalastes gebaut.